Traditionen bewahren


Unsere Pünte in Wiltshausen


Eine bewegte Geschichte

Geschichte und Geschichten rund um die Pünte.

Amdorfer Wege und Verbindungen

von Hermann Aeikens

Mit freundlicher Genehmigung des Autors Hermann Aeikens, Amdorf, in Zusammenarbeit mit dem 2005 verstorbenen Historiker Heinrich Erchinger, Logabirum, sowie dem Kulturkreis Jümme, Herrn Ralf Möhlmann.

Aus dem Jahr 1562 stammen die ersten Daten von Straßen und Wegen in Amdorf und Umgebung. In diesem Jahr wird die Fähre Wiltshausen erstmals erwähnt. Nicht bekannt ist, ob es sich hierbei bereits um eine Wagenfähre oder um eine Personenfähre gehandelt hat. Eine Wagenfähre ist jedoch unwahrscheinlich, denn in einem Protokoll von 1749 heißt es: „Wagen gingen dort nicht über“.

Die Straßen bestanden zu jener Zeit nur aus erhöhten Kleiwegen, die nicht befestigt waren. Im Winter waren sie unpassierbar, da dann die Hammriche zur Gewinnung von Schlick, der als Dünger genutzt wurde, überspült wurden. Als Fußwege boten sich dann nur die Deiche an. In dieser Zeit war es für die Bewohner sehr beschwerlich, ihre Hofplätze im Hammrich zu verlassen.

Eine Wegeverbindung soll von Holte über die Leda, den Jümmiger Hammrich, am alten Friedhof vorbei, über den Oldehof in Neuburg und über die Furt in der Jümme, die nur bei Niedrigwasser zu passieren war, zum Kloster Hasselt geführt haben.

Eine andere Wegeverbindung, der sogenannte „Steenpad“ war in Amdorf als Weg für Kirchgänger angelegt. Er führte von Amdorf über den heutigen „Nesseweg“ nach Wolde, von dort quer über die Grünlandflächen bis nach Groß Leiße. Die Flächen wurden von den Landanliegern kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Landanlieger hatten die Überfahrten über die Gräben zu unterhalten. Nach dem Ausbau der „Altfehnstraße“ war kein Bedarf mehr für diesen Weg vorhanden. Bei der Flurbereinigung Amdorf wurden die schmalen Grundstücksstreifen den Landanliegern zugeschlagen.

Die Verkehrsmittel jener Zeit waren kleine Schiffe, sogenannte „Törfmuttjes“, die besonders Torf, Baumaerial und einiges mehr transportierten. Sie lieferten in den kleinen Gemeinden und Einzelgehöften Torf an und nahmen auf der Rücktour Mist zur Verbesserung des abgetorften Moorbodens wieder mit.

Die Zeit der Törfmuttjes ging vorbei, als Detern 1869 an die Eisenbahn angeschlossen wurde. Es wurden zunächst Haltestellen in Stickhausen und Nortmoor eingerichtet; später kam Filsum hinzu.

Während der Straßenbau um 1850 in Stickhausen begann, wurden die kleinen Dörfer im Hammrich vorerst vergessen. Erst 1913 wurde die Straße von Loga über Wiltshausen und Amdorf bis nach Neuburg (Spieker) gebaut. Damit war zumindest im Sommer ein besseres Vorankommen ermöglicht. Die Straßenränder wurden mit Bäumen bepflanzt, damit man auch bei Überschwemmungen den Verlauf der Straße erahnen konnte.

Erst Mitte der fünfziger Jahre setzte ein wahrer Bauboom im Straßenbau ein: Die Straße von Spieker nach Stickhausen wurde gebaut, außerdem viele der Nebenstraßen wie die Altfehnstraße und der Sielsweg in Amdorf. 1954 wurde das Ledasperrwerk in Leer fertig gestellt. In der Folge wurde der Hammrich nicht mehr überflutet, und die Straßenkonnten sicher passiert werden.

Zurück zur Fähre Wiltshausen, die seit dem 16.Jahrhundert die Jümme überquert:

Der Betreiber der Fähre, die Bezirksregierung in Aurich, verkaufte die Fährgerechtigkeit 1913 an den Landkreis Leer. Der Landkreis zahlte dem Fiskus hierfür 5.500 Mark. Der Landkreis verpflichtete sich, den Fährbetrieb entweder im Selbstbetrieb oder durch geeignete Pächter zu gewährleisten. Außerdem musste er die Einrichtungen in gutem Zustand erhalten. Aufseher war der Gastwirt H. Schnau aus Wiltshausen.

Die Fähre verband jedoch nicht nur Amdorf mit Loga, sondern auch Loga mit Nettelburg. Diese Fährverbindung wurde 1936 wegen geringer Inanspruchnahme nach dem Straßenbau und im Zuge des Bauprogramms an den Leda- und Jümmedeichen eingestellt. Da die Fährverbindung nach Nettelburg immer unwirtschaftlicher wurde, hatte der Landkreis bereits 1930 ein Fährhaus an der Amdorfer Seite erbauen lassen. Dieses Haus erhielt, wie viele Häuser an Haltepunkten, eine Gaststätte. Diese Gaststätte wurde bis etwa 1960 betrieben.

Die Fähre wurde, wie unter anderem aus der Bekanntmachung des Königlichen Haupt-Zollamtes hervorgeht, immer öffentlich verpachtet: „Die Fähre zu Wiltshausen soll in termino den 19. Mai, Vormittags 10 Uhr, auf hiesigem Haupt-Zollamte auf sechs Jahre, vom 1. Juli 1869 ab, meistbietend verpachtet werden, wozu Pachtliebhaber sich einfinden und ihre Gebote abgeben wollen.“

Am 26. März 1895 wurde ein Vertrag mit R. J. Jelden geschlossen, dass er die Fähre – zunächst für sechs Jahre – pachtet. Der Vertrag wurde später verlängert. Sein Bruder Georg Jelden übernahm 1910 von seiner Schwägerin den Vertrag seines verunglückten Bruders. In dem am 13.Juni 1931 mit ihm geschlossenen Vertrag lautet es im § 2: „Mit der Fährgerechtigkeit ist ein Fährschatz verbunden, dessen Erhebung dem Pächter aber nur dann zusteht, wenn er sich zur unentgeltlichen Überfahrt der fährschatzpflichtigen Fahrgäste verpflichtet, was durch Unterschrift dieses Vertrages geschieht.

Eine Gewähr für den richtigen Eingang der von den pflichtigen Gemeinden auf Grund der angehefteten Nachweisung als Fährschatz zu erhebenden Leistungen wird vom Verpächter nicht übernommen.

Der Pächter ist aber befugt, erforderlichenfalls gegen Säumige die zwangsweise Betreibung bei dem Landratsamt in Leer nachzusuchen. Auch hat er der Kreisverwaltung im Januar eines jeden Jahres ein Verzeichnis des erhobenen Fährschatzes einzureichen.

Die Befugnis des Pächters zur Erhebung des Fährschatzes erstreckt sich nur auf regelmäßige Leistungen der Pflichtigen, welche innerhalb der Pachtzeit fällig werden. Der Verpächter ist dem Pächter gegenüber zur Aufhebung des Fährschatzes berechtigt.

Wird hiervon Gebrauch gemacht, so sind der Pächter und der Kreis befugt, den Vertrag zu kündigen. Die Kündigung muß innerhalb 4 Wochen von dem Tage ab, an welchem dem Pächter die Aufhebung des Fährschatzes amtlich mitgeteilt wird, erfolgen. Der Vertrag erlischt alsdann 3 Monate nach dem Tage der amtlichen Mitteilung.“


Der Fährschatz wurde im Winter von dem Fährknecht eingesammelt, und zwar von den Gemeinden Amdorf, Neuburg, Loga, Logabirum, Nortmoor, Nettelburg, Backemoor und Schatteburg. Es musste pro Schornstein 0,17 Reichsmark gezahlt werden. Dafür war der Fährmann verpflichtet, alle Fahrgäste der fährschatzpflichtigen Gemeinden kostenlos überzusetzen. Für Vieh und Wagen musste aber gezahlt werden. Das Einsammeln des Fährschatzes ist dann um 1940 nicht mehr durchgeführt worden.

Insgesamt hat die Familie Jelden rund ein halbes Jahrhundert die Fähre betrieben.

1945 pachtete Fritz Rottinghaus die Fähre mit dem Fährhaus und der Schankwirtschaft für zehn Jahre. Danach folgte als letzter Pächter Berend Dänekas.

Die Pünte hatte eine sehr große Bedeutung für die Landwirtschaft, musste doch über sie die gesamte Milch von den Amdorfer und Neuburger Bauern zur Molkerei nach Loga transportiert werden. Dies geschah bis Mitte der fünfziger Jahre noch mit Pferdefuhrwerken; anschließend setzte auch hier die Motorisierung ein, und Trecker übernahmen die schwere Arbeit. Da die Milch täglich zur Molkerei gefahren wurde, musste die Pünte auch täglich einsatzbereit sein. Besonders im Winter bei starkem Frost, Eisgang und zugefrorener Jümme war das reine Knochenarbeit. Bei starkem Eisgang, wenn die Fähre nicht mehr fahren konnte, mussten die 20-Liter Milchkannen in das Fährboot geladen werden. Zwei weitere Männer stiegen mit ins Boot, um mit Stangen einen Weg durch die Eisschollen zu bahnen. Da nur 17 Milchkannen ins Boot passten, musste die Tour öfter gefahren werden. Auf der Logaer Seite standen dann Anhänger, mit denen die Milchkannen zur Molkerei gefahren wurden. Wenn die Jümme zugefroren war, wurde anfangs eine Rinne in das Eis geschlagen, durch die das Boot fuhr.

Der Fährsteig wurde auf beiden Seiten mit Schilfbündeln und Übergießen mit Wasser so hergerichtet, dass trotz Ebbe und Flut nach einiger Zeit eine starke Eisdecke entstand, über die dann die Milchwagen und auch PKW gefahrlos über den Fluss fahren konnten. Auch für diese Überquerung der Jümme musste Fährgeld gezahlt werden.

Nach dem Bau der schmalen Brücke über die Leda von Amdorf nach Nettelburg im Jahre 1956 lohnte es sich nicht mehr, die Fähre zu betreiben. Der damalige Pächter, Berend Dänekas, wurde Angestellter des Landkreises. 1974 wurde der Betrieb durch den Landkreis Leer eingestellt. Da viele diese Pünte liebten, wurde auf Initiative von Günter Prahm ein Verein gegründet, der die handbetriebene Pünte als „Denkmal auf dem Wasser“ bis zum heutigen Tag erhält.

Der Betrieb der Pünte blieb in den langen Jahren nicht ohne Zwischenfälle: Die Durchfahrten durch den Deich (Diekgatten) wurden erst 1936 gemauert und bei Hochwasser mit Holzbohlen verschlossen. Bis dahin waren es einfache Löcher im Deich, die mit Klei befestigt waren. Landwirt Schaa aus Wiltshausenerhörn beschwert sich am 2. September 1880 wie folgt: „Beim Herannahen des Herbstes mit seinen Stürmen bin Ich als dem Deichgatte zunächst wohnender immer großer Gefahr ausgesetzt. Im Jahre 1863 vom 3.-4. Dez. brach das rasch zugeworfene Deichgatt durch und das einströmende Waser verdarb mir im Keller meinen ganzen Wintervorrat. Der Schaden betrug an 100 Mk. Im Jahre 1877, in der Nacht vom 30.-31. Jan., konnten die Bewohner von Wiltshauserhörn nur durch die angestrengteste Arbeit den Durchbruch verhindern und vor Schaden sich schützen.“

Landwirt Schaa führte dann 1881 eine Fährrampenerneuerung durch und stellte neue Deichüberfahrten her. Die Kosten betrugen für das rechte Ufer 972,52 Mark und für das linke Ufer 673,26 Mark. Erst nach längeren Verhandlungen war die zuständige Behörde der damals noch staatlichen Fähre bereit, die Kosten zu übernehmen.

Als 1952 der Amdorfer Lehrer Alfred Jarausch seinen Dienst begann, sollten seine Möbel mit einem Möbelwagen über die Fähre transportiert werden. Der Fahrer des Wagens machte eine Vollbremsung, als die Fähre unter der Last zu schwanken begann. Hierbei riss die Sicherungskette. Die Fähre trieb mit dem Lastwagen vom Ufer ab, der Anhänger trieb hinterher. Die Tür des Anhängers öffnete sich und Teile der Möbel trieben in der Jümme. Menschen kamen diesmal nicht zu Schaden.

Tragischer war der Unfall, der sich einige Jahre zuvor, am 17. Oktober 1943 ereignete: Es kam zu einem schweren Unfall mit Todesfolge an der Fähre beim Übersetzen eines Schleppers mit einem mit Sand beladenen Anhänger. Beim Auffahren auf die Pünte drückte der viel zu schwere Zug die Pünte unter Wasser. Während sich der ukrainische Fährgehilfe schwimmend an Land retten konnte, ertrank der Fahrer des Schleppers. Er war Nichtschwimmer.

Jurij Kurys hieß der Fährgehilfe aus der Ukraine, der von 1941 bis 1945 auf der Fähre Dienst tat. Er kam, als 1941 die Deutschen seine Heimat besetzten, als Ostarbeiter mit der Aussicht, arbeiten und zur Schule gehen zu können nach Deutschland. Er wurde dem Fährmeister Jelden als Gehilfe zugeteilt. Ein halbes Jahr später musste er die Fähre allein betreiben, da Jelden eingezogen wurde. Sein Dienst dauerte von 7 bis 22 Uhr. Es gab nur einen freien Tag im Monat. Jurij war bei allen, die die Pünte benutzten, beliebt und stets hilfsbereit. Nach dem Krieg studierte er in Kiel und München Chemie. 1952 wandert er nach Kanada aus, wo er auch promovierte und später für die Regierung arbeitete.

Nach dem Untergang der Fähre wurde die bei Bonnhausen liegende alte Pünte wieder in Betrieb genommen. Im Jahre 1937 wurde diese 5 Tonnen-Fähre durch die damals stillgelegte 7 Tonnen schwere Logaer Fähre ersetzt. Nach Hebung und Reparatur der gesunkenen Fähre auf der Werft von Dietrichs, Oldersum, wurde dieselbe im April 1944 wieder eingesetzt. In den letzten Kriegstagen im April 1945 wurde die Pünte von den zurückweichenden deutschen Truppen gesprengt.

Die nächste überlieferte Nachricht datiert vom 13. Juli 1945 und stammt vom Wasserwirtschaftsamt Leer; sie hat folgenden Wortlaut: „Die auf kleiner Bodenfläche gesprengte Hauptpünte ist inzwischen nach Abdichtung von Tammingaburg in den Fährschlot geschleppt worden und soll auf der Fährrampe zur Reparatur durch die Fa. Janssen, Westrhauderfehn, aufgebockt werden. Dabei auch Überholung der Scharniere. Die fehlenden Belagsbohlen können, wenn sonst nicht zu beschaffen, von der Außenstelle geliefert werden.

Die kleine Fährpünte ist durch die Sprengung mittschiffs so schwer beschädigt, daß ihre Wiederherstellung nicht zweckmäßig erscheint. Der Kreis Leer wird deshalb eine Neubeschaffung ins Auge fassen müssen.“

Im Jahre 1947 begann der Landkreis Verhandlungen mit der Meyer-Werft über die Beschaffung einer neuen Pünte. Die Verhandlungsakten liegen nicht bis zum endgültigen Abschluss dieser Verhandlungen vor, doch wird es sich bei dem damals in Auftrag gegebenen Püntenneubau um die heute noch vom Püntenverein in Betrieb gehaltene Pünte von Wiltshausen gehandelt haben.

Nicht nur bei Wiltshausen befand sich eine Fähre, sondern es verkehrte auch eine über die Leda zwischen Amdorf und Stintrick. Hierbei handelte es sich aber nur um eine Personenfähre, ein größeres Boot, mit dem Personen und Fahrräder übergesetzt wurden.

Klaus Peter Ley hat die Fähre bis etwa 1930 betrieben. Ihm folgte Hinrich Poppen bis 1949. Dann nahm der Sohn des ehemaligen Dorflehrers Schöneboom die Ruder in die Hand.

Anton Schöneboom erklärte jedoch einige Jahre später seine Kündigung vom Fährdienst. Da trotz intensiver Suche kein neuer Fährmann gefunden wurde, war guter Rat teuer. Da Teile der Gemeinde Amdorf auf der Nettelburger Seite liegen, wollte man diese nicht aufgeben. Es wurde beschlossen, einen Laufsteg zu bauen, damit die Bewohner von Tammingaburg, Stintrick, Schmerige Hörn und Critzhörn weiter die Kirche besuchen konnten. Da die Leda eine Bundeswasserstraße ist, mussten bestimmte Durchfahrtshöhen für die Schiffe sichergestellt werden. Ein Fußgängerüberweg als Bogenbrücke hätte in der Bauhöhe bestimmte Risiken durch Kippen beinhaltet. So entschloss sich der Gemeinderat, eine Brücke zu bauen, über die auch ein Kranken- und der Feuerwehrwagen passten. Die Kosten für die Brücke betrugen 118.536,63 DM. Hiervon trug die Gemeinde Amdorf 15 % (7.780,00 DM). Für die Auffahrrampen, die in Eigenleistung hergestellt wurden, kamen weitere 36.037,14 DM hinzu, die bei der Gemeinde mit einem Anteil von 10 % zu Buche schlugen. Die komplette Brücke kostete der Gemeinde somit nur 21.383,71 DM. Die feierliche Einweihung der neuen Verbindung fand am 6. Juni 1956 statt.

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